o war es also wieder Sommer geworden. Der Handelstag nahte, und wir befanden uns auf dem Weg nach Norden.
Unsere Reise war erfolgreich gewesen, und wir hatten sogar all unsere Erwerbungen noch bei uns, da uns diesmal keine Kanonenkugel dazwischen kam...
Nach dem glücklichen Ausgang der Aufregungen des letzten Jahres waren wir ja nach Süden gereist, um weitere Wege zu finden und Kontakte zu knüpfen. Es gelang uns letztendlich auch, einen Abschnitt des großen Stromes zu erreichen, an dem sich mehrere Forts und Handelsposten befanden. Wir hatten interessante Begegnungen, konnten gut handeln und brachten einiges mit, das unsere Freunde in L'Esperance goutieren würden (wir führten sogar echten Armagnac mit!).
Unsere freudige Stimmung wurde jedoch getrübt von den beunruhigenden Nachrichten, die uns zugetragen wurden: Quebec war gefallen, und der Druck auf Montréal wurde langsam unerträglich. Außerdem massakrierten zuvor freundlich gesonnene Indianer plötzlich Siedler und Trapper - zumeist waren Franzosen die Opfer. Besonders traf uns die Nachricht, daß die englische Hudson Bay Company plötzlich im Besitz bisher französischer Forts war; wir konnten dazu jedoch nichts Genaueres erfahren.
Während der Reise stießen wir auf das Ehepaar Broomsborough. Lord Theodore und Lady Harriet waren mitten in der Wildnis von ihren Führern verlassen worden. Nach einiger Zeit mit Lady Harriet begannen wir zu verstehen warum...
Kurz vor L'Esperance trafen wir dann schließlich auf alte Bekannte: Angelina von Teufenbach und Peter van Abel ebenso wie Valeria Falkenberg-Aurach und Viole Duvet (die sich jetzt Roosevelt nennt). Sie alle sind jetzt schon eine ganze Weile hier und gehen ihren Weg. Da dies auch auf meine Gemahlin Thyra Buchanan, née MacDonald, und meine Wenigkeit, Gillean Buchanan, zutrifft, kann man nur ausrufen: Mögen es die MacDonalds, Buchanans und Roosevelts noch weit bringen in diesem Land!
Beim Fort angekommen konnten wir wieder Pierre und Elise Montinignac begrüßen - ei, was war das für eine herzliche Begrüßung! Die liebreizende Lisette war allerdings nicht mehr zugegen; sie und Mr. Rutherford waren einander näher gekommen, inzwischen sind sie angeblich auf dem Weg nach Europa. Unerfreulich hingegen, daß Major Stratford vor kurzem entkommen konnte. Offensichtlich hatte seine Dosis nach so langer Zeit nicht mehr ausgereicht. Wirklich erstaunlich, was so ein Engländer schlucken kann!
Unsere Indianer- und Trapperfreunde (diesmal befand sich im Trapper-Lager auch ein seltsamer Mann, der sich seine Hosen erst nähen mußte) waren ebenfalls zum Handelstag gekommen. Ganz zur Freude von "Theeeodore", der immer noch auf der Suche nach den echten edlen Wilden war.
Wenn wir schon bei den Wilden sind: Heuer gab es noch ein weiteres Lager. Die Hudson Bay Company hatte es aufgeschlagen, denn sie war viel zahlreicher vertreten als letztes Jahr. Neben Handelsvorteilen suchte sie u.a. Auskünfte über eine verschwundene Expedition vom Vorjahr. Irgendwie konnten sie jedoch nicht alles in Erfahrung bringen.
Unsere Pflicht war es nun, unsere Ojibwe-Freunde vor dem Feuerwasser zu warnen, mit dem gewisse Weiße die Stämme im Osten zu versoffenen Dreckshaufen gemacht hatten. Denn, so wie alles im Leben, will auch Feuerwasser mit Maß und Ziel (und dem richtigen Stoff in der Flasche!) genossen sein. Selbst mit so vortrefflichem, flüssigen Gold wie dem unsrigen schottischen wäre es unverzeihlich, die Ojibwe zu verderben. Da bleibt man doch lieber bei einem gelegentlichen freundschaftlichen "Kling-Kling".
Beim Palaver mit unseren Freunden erfuhren wir auch, daß diesmal neben der Gruppe von Häuptling Onaio eine weitere Gruppe Ojibwe gekommen war. Diese hatte übrigens Valeria bei sich, die auf einer abenteuerlichen Flucht akute "Kreuzschmerzen" erlitt. Erst nach einem Ritual konnte ihre Heilung gesichert werden.
Nach einer erfrischenden Nachtruhe brachen wir am nächsten Morgen wieder zum Indianer-Lager auf. Die Ojibwe waren aber noch nicht bereit, Handel zu treiben. Ob das bereits mit einem Wespen-Totem zusammenhing, von dem die Gerüchte sprachen, weiß ich nicht; ich werde jedoch die Pfeilschußübungen auf eine Wespen-Zielscheibe nicht so bald vergessen.
Die Beschäftigung der Ojibwe gab uns erst einmal eine perfekte Gelegenheit, von der Bildfläche zu verschwinden. Thyra hatte nämlich von Verwandten eine Schatzkarte zugespielt bekommen, die einen Schatz in der Umgebung zeigte. Dieser käme uns für unsere Pläne sehr gelegen - sofern ihn uns nicht jemand wegschnappt. Genau dies schien aber geschehen zu sein; wir konnten ihn einfach nicht finden und kehrten unverrichteter Dinge zurück. Erst mit besserem Werkzeug ausgerüstet, gelang es schließlich doch noch, eine Menge Gold zu heben.
Schließlich kamen wir endlich zum Handeln ins Ojibwe-Lager. Die Stoffe, Perlen, Ketten und "Two Knives" (wie sollte man ihnen Scheren auch anders erklären?) hatten es unseren Freunden besonders angetan. Doch mitten in unsere angeregten Geschäfte platzte die ganze Hudson-Partie. Na, mehr hatten wir nicht gebraucht! Es zeigte sich auch, daß unsere Warnungen zur Vorsicht nicht unangebracht waren. Neben heimlichem Whisky-Handel verkaufte die Bagage doch glatt das erste Gewehr an die Ojibwe! Ich mußte mir später noch viele gute Gründe anhören, die das angeblich rechtfertigten...
Es befriedigte uns jedoch zutiefst, daß Thyra und ich mehr erhandelten als alle Hudson Bay-Vertreter zusammen - die Ojibwe kennen sich halt aus und tauschen lieber mit "Dancing with Birds". Wie wir erfuhren, lieben sie übrigens ein braunes Pulver namens "Hoffa" - gottseidank konnten wir uns auch etwas davon organisieren.
Nach den Störungen beim Handeln gab die Hudson-Partie jedoch noch keine Ruhe: Sie begannen, einen unserer Trapper-Freunde zu verfolgen, noch dazu einen Landsmann! Bryce McLean wurde schließlich so lange gehetzt, bis er von einer Klippe stürzte. Das heißt - als lokaler Rechtsvertreter - nahm Montinignac die Jagd auf und berichtete den Hudsons von diesem tragischen Ende.
Die darauffolgende Jagd war dann wenigstens eine friedliche. Nach Erlegen eines überaus cleveren Wildschweins war auch ein reichhaltiges Abendessen gesichert.
Inzwischen hatten wir erfahren, daß in einem Brief an die Company die Beschreibung von Thyra und mir enthalten waren. Aus diesem Brief ging hervor, daß man es auf uns abgesehen hatte. Wie groß war unser Bedauern, daß Valeria den Brief abgefangen hatte, sodaß die Company auf diese wichtige Information verzichten mußte...
Pikanterweise tauchte auch die im Vorjahr von Pierre so genial gefälschte Karte wieder auf, Valeria hatte sie einem Engländer abgenommen.
Mit dem Essen wurde es dann friedlicher, und ich hatte Gelegenheit, mich mit dem Hudson Bay-Captain zu unterhalten. Er erwies sich als Landmann aus dem Clan der McGregors und hatte ein typisches Schotten-Schicksal unserer Zeit. Auch werde ich unsere Andacht mit seiner Bibel nicht so bald vergessen. Miss Alistair, in Begleitung der Company-Vertreter reisend, war ebenfalls mehr Schottin als Engländerin. Die beiden Kanuführer McCloud und James Bond hingegen konnten wir nicht einordnen. Sie waren eher verschlossen und unfreundlich.
Die Schwester McGregors und einer seiner Begleiter, ein Ire namens O'Neill, hatten einander gefunden. So ergab sich nun die erfreuliche Gelegenheit, ihre Verlobung zu feiern. Wie überhaupt das Verhältnis zu fast allen aus der Company-Reisegruppe besser wurde, als sich herausstellte, wie diese Schotten und Iren in Wirklichkeit zur Company standen...
Da die Festlichkeit alle Weißen versammelte, war dies natürlich eine vortreffliche Gelegenheit, auf die Leistungsfähigkeit unseres Handelshauses auch in dieser entfernten Wildnis hinzuweisen (immerhin stammten ja zwei Drittel der Verlobungsgeschenke aus unseren Handelsgütern). Wir ließen zu einem der Geschenke einfach einen klitzekleinen Vermerk verlesen ("Diese Säge widmet ihnen Buchanan & Todd - Handelswaren aller Art"). Ich bin mir sicher, diese Art der Kundmachung wird noch einmal Schule machen! Der Rest des Abends verlief dann vorläufig ruhig.
Anders jedoch bei den Ojibwe. Sie bereiteten sich gerade auf eine Geistwelt-Reise vor, und führten ein Ritual durch. Dabei saßen sie hintereinander wie in einem überlangen Ruderboot. Schlußendlich entschwanden sie in ihre Geistwelt, um erst nach einiger Zeit wieder aufzutauchen. Offensichtlich hatten sie die Tür nicht vollständig hinter sich zugemacht, denn nach ihrer Rückkehr tauchten plötzlich ein seltsamer Wolf (sprach er gälisch?) und später Traumgeister auf. Danach verlief die Nacht wieder ruhig und wir wachten überraschenderweise lebend und unverletzt in einem immer noch französischen Fort auf. Aber das sollte sich ändern...
Zuvor hatte ich noch ein längeres Gespräch mit dem Hardliner unter den Hudson Bay-Leuten: Mr. Bumfit. Er versuchte, mich als lokalen Company-Vertreter zu keilen und mir das u.a. mit "Gebietsschutz" schmackhaft zu machen (und das nach der lausigen Handelei, die sie am Vortag abgezogen hatten!).
Wir einigten uns schließlich darauf, daß ich im kommenden Frühjahr nach York Factory reisen würde, um einen Vertrag zu unterzeichnen, der auch die von mir geforderten Klauseln beinhalten sollte. Ich lege Wert auf Redlichkeit und ehrsames Handeln - aber auch auf meine Freiheit. Daher ist auch selbstverständlich, daß dieser Vertrag dann buchstabengetreu eingehalten wird. Was ich darüber hinaus anstelle, ist ja meine Angelegenheit...
Zudem lege ich Wert aufs Überleben (nicht zuletzt auch wirtschaftlich). Daher hatte offener Widerstand hier keinen Platz, und ich ließ mich überraschend einfach überreden (na ja, glaubte zumindest Bumfit).
Kaum mit Mr. Bumfit fertig, führte ich auch schon ein sehr entscheidendes Gespräch mit Montinignac und McGregor. Sie hatten sich geeinigt, daß McGregor die Company doch nicht verläßt, sondern - ganz im Gegenteil - für die Company (offiziell) das Fort übernimmt. Es soll fürderhin "Independence" heißen. Die Montinignacs ziehen nach Westen weiter, um von dort aus die Fäden zu ziehen. Hier kam es natürlich überaus zupaß, daß Pierre gerade Gold in der Umgebung gefunden hatte (wie er nicht aufhörte zu betonen). Es war also anzunehmen, daß hier eine wachsende Siedlung entsteht, die natürlich versorgt werden will!
Neben dem Haus der Hudson Bay Company soll nun auch unauffällig ein Stützpunkt der bereits geplanten schottisch-französischen Compagnie entstehen. Das Geld für die nötigen Informationen haben wir seit unseren Schatz-Ausflügen zur Kapelle in Hülle und Fülle. Da nach außen hin für die Engländer und die Hudsons alles in Ordnung scheint, ist mit keinen größeren Schwierigkeiten zu rechnen. Ganz im Gegenteil: Da die Company mit mir einen mit den lokalen Gegebenheiten sehr gut vertrauten Repräsentanten gewinnen konnte, ist sogar mit weniger Händlern als bisher zu rechnen.
Dann hat vielleicht auch "Jack" mit seinem Etablissement mehr Glück. Bei uns kam er nicht so gut an mit seinem Gesöff. Da war ja sogar der Whiskey-Versuch aus den englischen Kolonien, den ich mit mir führte, besser. Die Kolonisten nennen es "Bourbon" oder "James Strahl" aus dem glücklichen Kent (Kent-lucky).
Leider wurde die nun gute Stimmung mit Gewalt jäh unterbrochen. Indianer unter dem Häuptling "Ugly" griffen an und entführten das "(H)aselmäuschen" (Elise) von Pierre Montinignac. Zur Sicherheit zerstörten sie auch gleich alle Kanus. Unsere Ojibwe-Freunde sowie einige von uns begannen, Kanus zu bauen und die Verfolgung aufzunehmen. Darunter interessanterweise auch Lord Theodore, der wohl seiner quälenden und ängstlichen Frau entkommen wollte. Es dürfte eine längere Suche werden, und wir alle hoffen, daß sie von Erfolg gekrönt sein wird.
Somit trägt "L´Esperance" wieder einmal seinen Namen zu recht - auch wenn es jetzt anders heißt...