er Krieg wurde spürbar, als wir heimlich auf einem holländischen Schiff (unter Kapitän Bensdorp) von Frankreich aus die englische Seeblockade durchbrechen und bis Grönland segeln mußten. Daran vorbei gelangten wir schließlich in die Neue Welt, wo wir gerade noch unbeschadet das von den Engländern fast schon belagerte Quebec erreichten. Prompt beschlagnahmte man auch gleich den Großteil unseres Eigentums wegen der dort herrschenden allgemeinen Knappheit. Dies und auch die orgeastisch-ausgelassene Endzeit-Stimmung in der Stadt hielt uns nicht lange. Mit verschiedenen Transportmitteln schlugen wir uns entlang der Ausläufer des tobenden Krieges schließlich bis Montréal durch.
Das Ziel unserer Reise war, neue Handelskontakte zu knüpfen (bekanntlicherweise konnte man mit den Franzosen und ihrem Netz an Forts gut Handel treiben; obendrein verstanden sie sich mit den Indianern besser). Zufälligerweise verspürten auch alle anderen Mitglieder unserer bisherigen Gruppe das Bestreben, in den Westen zu gelangen. So brachen wir denn Anfang Juni 1759 ins Hinterland auf: Valerie, Gräfin von Falkenberg-Aurach, Peter van Abel und Angelina von Teufenbach, Viole Duvet samt ihrem Begleiter Jean Le Bonné. Zu guter letzt meine Gemahlin Thyra Buchanan, née MacDonald, und meine Wenigkeit, Gillean Buchanan.
Zwei Monate quälten wir uns dann durch die Wildnis. Thyra und ich hatten zwar auf allen Erdteilen schon einiges von der Welt gesehen - dennoch, die Großartigkeit dieses Landes überwältigte uns, und die Naturwunder ließen uns sprachlos (zuweilen auch vor Erschöpfung). Nicht nur diese großen Wasserfälle, auch die Lochs, in denen ganz Schottland versinken könnte, beeindruckten uns schon sehr.
Leider wurde unsere See-Überquerung von Kanonendonner unterbrochen, und wir fanden uns im Wasser wieder - ohne den Großteil unserer Ausrüstung, unsere Kanus und die meisten unserer Begleiter. Gottseidank befanden sich der Whisky und meine süße Stuart-Köstlichkeit im wiedergefundenen Kleingepäck; das wäre sonst eine erbärmliche Weiterreise geworden...
Gerettet wurden wir von einem Engländer und seinem geistlichen Begleiter; jener Engländer befand sich zufällig(?) in der Nähe unseres Beschußpunktes und stellte sich als Major Stratford heraus. Stratford war ja ein alter Bekannter aus den dunklen Vierziger-Jahren in Schottland, und wurde somit wieder einmal einer Filzlaus gerecht, die immer an den unpassendsten Stellen auftaucht und juckt. Abgesehen davon ist er der Bruder von Viole, die nun ihre wahre Identität als Georgina Kensington zu erkennen gab.
Zusammen mit Stratford und seinem Begleiter, Pater Antonius (der sich als harter, unerbittlicher katholischer Satan erwies), reisten wir weiter. Schließlich wurden wir vom Trapper Paul Boone zum nächsten Fort, dem französischen L´Esperance, geführt (auf dem Weg dorthin retteten wir auch gleich eine Indianer-Squaw aus tödlicher Gefahr). Wir trafen am Abend des 30. Juli ein und wurden vom Fort-Hauptmann Pierre Montiniquac und seiner Gemahlin Elise begrüßt.
Es waren gerade friedliche Handelstage, weswegen Trapper aus der Umgebung gekommen waren, um Handel zu treiben. Bei ihnen fanden sich neben Franzosen wie Lafayette de Bayonne und Gerard Bessant auch einige unserer Landsleute, die den Weg in die Fremde suchen mußten (ich salutiere Angus "Shorty" McTugger, Arthur McCraye und Bryce McLean). Die Trapper lebten gut ausgerüstet in einem Lager voller Felle und Vorräte und genossen die Natur unter den Bäumen.
Auch waren Indianer vom Stamm der Ojibwe gekommen, ihr Lager befand sich auf der Kuppe eines Hügels, der das Fort überragte. Sie pflegten kraftvolle Gesänge - nie werde ich den Regentanz vergessen, dessen Folgen vom Pater nur mit Mühe durch viel Beten eingedämmt werden konnten.
Da wir auf unserer Reise schon mit verwandten Stämmen Kontakt hatten, konnten wir uns auch mit den Ojibwe verständigen (beständige Notizen halfen, unsere Kenntnisse noch zu erweitern) und ein paar der Krieger wie Onaio oder Kiloqua kennenlernen.
So erfuhren wir, daß sie einen großen Geist namens "Wénkambéta" sehr zu verehren schienen. Ihm huldigten sie oft.
Die Indianer erwiesen sich als sehr humorvoll, sie liebten Wortspiele. Im Zuge dessen gelangte ich auch zum Beinamen "Dancing with Birds". Letzteres mußte ich vortanzen - und dürfte sie damit sehr beeindruckt haben.
Ihre Geister schienen ebenfalls viel Humor zu haben, sie gingen zu Mitternacht um und trieben Schabernack. Wer von ihnen Geschenke annahm, hatte unter Umständen besonders süße Träume...
Als störend erwies sich die Anwesenheit zweier Vertreter der allgegenwärtigen Hudson Bay Company, die ihr Handelsmonopol ja ständig auszuweiten sucht. Wie es der Zufall wollte, stellte sich einer der Hudson Bay-Leute gerade Stratford gegenüber mit dem falschen Namen Kensington vor. Daß er dabei einen Stratford-Familienzweig mit bekannt hoher Sterblichkeitsrate nannte, trug ihm schnellen Blutverlust an der Kehle ein. Der verbleibende Hudson Bay-Händler, ein gewisser Rutherford, verlor durch diesen erneuten Beweis der hohen Kensington-Sterberate viel von seinem Rückhalt und ich die Hälfte der Handelsgegner - was Rutherford nun zu einem interessanten Gespächspartner machte.
Später erschienen kranke Indianer und bettelten beim Fort um Nahrung. Wir ahnten noch nicht, daß sie die Pocken einschleppen würden. Das Schicksal wollte es, daß die Krankheit just unsere Lieblinge Stratford und Pater Antonius erwischte. Auf langer Sicht erwies sich dies für beide als fatal (trotz eines späteren Heilungsrituals durch die Indianer): Pater Antonius lehnte heidnische Rituale ab und erlag noch während eines Rituals einem Herzanfall. Stratford wurde zwar geheilt, verblieb aber zu seiner eigenen Sicherheit noch im Opium-Rausch. Dem Vernehmen nach hat jedoch niemand daran Interesse, diesen Zustand je wieder zu ändern.... Zusätzlich zur Krankheit trat im Laufe der Zeit ein böser Dämon namens "Vendigo" immer stärker in Erscheinung. Er ergriff von Menschen Besitz und hetzte sie auf andere los. So passierte es auch uns, daß der besessene Montiniquac mit gezogenem Säbel in wilder Raserei auf Thyra und mich losstürmte. Nur schnelles Spannen und ein gezielter Schuß konnten ihn stoppen und zur Besinnung bringen.
Sowohl Indianer als auch Weiße wurden von diesem Dämon befallen. Durch lange gemeinsame Rituale, bei denen auch viel gesungen und getanzt wurde, konnte "Vendigo" in einem mystischen Kampf schließlich besiegt werden. Der erste Augustmorgen brach an, und der neue Monat begann gar nicht gut: Aus dem Wald trampelte eine englische Vorhut. Sie verhielt sich genau so, wie man es von Engländern erwartete: Arrogant und rücksichtslos. Unsere Mitteilung, daß Stratford das Fort leite, reichte ihnen aber vollauf, um von einer näheren Überprüfung des Forts Abstand zu nehmen. Bei dieser Entscheidung half ihnen sicher auch unsere Versicherung, daß Stratford sich inzwischen wieder ganz von den Pocken erholt habe.
Kaum waren die Engländer wieder im Wald verschwunden (wo sie auch hingehören), trat ein kleiner französischer Trupp auf den Plan. Er wurde natürlich herzlich begrüßt und eingeladen, konnte sich aber seltsamerweise nicht dazu durchringen, viel Zeit beim Fort zu verbringen (obwohl doch niemand mehr an den Pocken litt). Überzeugt, daß alles beim Rechten sei, zogen auch die Franzosen bald wieder ab.
Es gab schließlich ein großes Pow-Wow mit den Indianern und danach endlich doch noch intensiveren Tauschhandel mit ihnen (wobei sogar das Bettzeug des Forts dafür herhalten mußte). Erst sehr spät stellte sich heraus, was sonst noch geschah: Die meisten unserer Begleiter waren hinter genauen Landkarten einer verschollenen englischen Expedition her. Rund um diese Karten begann sich ein Verwirrspiel zu verstricken, das es in sich hatte:
Ursprünglich lagen die Karten in einem Indianergrab, wo sie von den Ojibwe gefunden wurden (nachdem ein Trapper versehentlich das Grab schändete, aber die Karten liegen ließ). Hauptmann Montiniquac erfuhr von den "White Leaves" und durfte sie studieren, weil er den Ojibwe "Wasser an der Wand" mitbrachte. Dann wurden die Karten von den Indianern verbrannt, ohne daß jemand von den Suchenden dies erfuhr. Montiniquac fälschte daraufhin eine eigene Karte und zeichnete darauf eine Westpassage mit großem See ein. Über einen Trapper ging diese falsche Karte zu einem zweiten Trapper, der sie Major Stratford für 100(!) Bärenfelle verkaufte. Kurz später erkrankte Stratford an den Pocken und wurde von Montiniquac ins Fort gebracht. Dabei bewahrte der Hauptmann die wichtigen Unterlagen und eigenen Karten des fiebernden Majors davor verlorenzugehen, indem er sie sicherstellte. Es wäre ja auch unangenehm gewesen, wenn irgend jemand Fremder den Hudson Bay-Freibrief oder die Militärgeheimnisse des Majors unerlaubterweise an sich gebracht hätte! Die dabei wiedererlangte von Montiniquac selbst gezeichnete Karte ging über die bewährte Trapper-Verbindung dann an den Händler Rutherford, der dafür 200 Goldpfund hinlegte.
Peinlich wurde es nur ein wenig, als der gute Rutherford beim Auftauchen der Engländer dem Hauptmann vorschlug, sich nach Westen in Sicherheit zu begeben, er habe da eine Karte... Montiniquac (er hatte die wahren Karten Stratfords) mußte Rutherford folglicherweise über die Herkunft jener Westpassagen-Karte aufklären, woraufhin dieser sie prompt an die englischen Eindringlinge weiterspielte.
Doch was lernen wir aus all diesen Ereignissen? Ganz besonders bemerkenswert finde ich die Tatsache, daß sich hier einmal die Vernunft durchgesetzt hat (ach, wäre dies doch seinerzeit in Schottland auch geschehen!). Fort L´Esperance wurde de facto zu einem französisch-englischen Kondominium (auch wenn Madame Montiniquac dies sicherlich nicht gerne hörte..): Kommen englische Truppen in die Gegend, steht das Fort nach außen hin unter der Leitung Major Stratfords (als Vize fungiert dann Mister Rutherford). In allen anderen Situationen leiten Monsieur und Madame Montiniquac mit erfahrener Hand das Fort.
Rutherford dürfte nun Gelegenheit haben, seiner Vorliebe für Lisette, die jüngere Schwester von Elise, nachzugehen, und fungiert dabei gleich als mein Handels-Verbindungsmann vor Ort.
Vorteilhaft tritt hinzu, daß sich das Paar Jean und Viole/Georgina Duvet in der Gegend ansiedelt, womit die medizinische Versorgung gesichert ist (samt Opium für Stratford, versteht sich). Für den geistlichen Beistand sorgt der gütige, lokal ansässige Pater Bernard
Thyra und ich gedenken mit Trappern (wie z.B. Maximilian Schell und seinem indianischen Ehe-"Häschen" Tahotaneke von L´Esperance) unsere Entdeckungsreise zu neuen Handelskontakten fortzusetzen. Da wir nun die Bedürfnisse genauer kennen, wird es uns leichter fallen, die Versorgung des Forts zu gewährleisten.
Die Ojibwe ziehen unter ihrem neuen Häuptling Onaio weiter, bewahren aber ihre Freundschaft zu den Weißen, die sie kennengelernt haben. Sie haben sicherlich gelernt, zwischen Weißen und Weißen besser zu unterscheiden.
Und natürlich ist zu erwarten, daß die Landkarte, die den Engländern zugekommen ist, zunehmend Expeditionen in den Westen auslöst, die das Fort natürlich mit Freuden ausrüsten wird...
Somit dürfte auch die Zukunft von "L´Esperance" wohl seinem Namen gerecht werden.