ach dem Krieg der Lilien konnte ich mich endlich meinem Hauptprojekt des Jahres widmen, "In der Neuen Welt", dem Lederstrumpf-Live. Ulli war hier wieder eine riesengroße Hilfe - obwohl sie selber Spielerin war, half sie mir doch vor allem beim Aufbereiten der indianischen und historischen Hintergründe und nahm mir Kilometer an Schreibarbeit ab. Gemeinsam mit den Kostümvorbereitungen las ich mich auch immer mehr in die indianischen Hintergründe ein, was eine ungemeine Horizonterweiterung für mich war. Über das Spiel wurde schon einiges geschrieben, es war - aus meiner Sicht - das beste und außergewöhnlichste aller meiner bisherigen Spiele, was vor allem auf die Authenzität der Charaktere und die Umsetzung durch die Spieler zurückzuführen war. Wieder gab es nur ganz wenige NSCs, etliche Rollen übernahm ich selber, von den ca. 40 Teilnehmern waren 35 reine Spieler. Gegen Ende des Spieles wurden auch aus den NSCs Spieler, und vor allem Thomas Bertalan als kartenfälschender Fort-Betreiber lenkte einige Spieler in neue, völlig unerwartete Richtungen.
Die Handlung ist schnell erzählt. In Form eines Tischrollenspiels brachte ich die europäischen Charaktere per Segelschiff im Jahre 1759 nach Montreal, von dort ging es dann nach einigen Erlebnissen zu Fuß und mittels Kanus weiter in den Westen, ins Gebiet der großen Seen, wo sie letztlich im Sommer zu dem kleinen französischen Fort L'Espérance kamen. Dort trafen sie auf eine englische Gruppe (unter anderem spielte Bernie Tischler den englischen Offizier, der uns schon in "Schottland in den Schatten" begegnet war - wieder war ein Handlungskreis geschlossen), lernten Trapper bzw. "coureurs de bois", die zum Handeln zum Fort gekommen waren, und die Rituale und Kultur einer Gruppe Ojibwa-Indianer kennen. Alle Gruppen bis auf die Betreiber des Forts waren Spieler, die ihre eigenen Handlungen, Vorgaben und Ziele hatten. Es war im Endeffekt ein Spiel "jeder gegen jeden" oder - noch besser - "jeder mit jedem".
Auch an übersinnlichen Dingen fehlte es nicht, indianische Naturgeister (~Fairies) waren ätzend, aber harmlos gegenüber dem riesigen Wendigo-Geist, der alle beeinflußte und zu Raubtieren machte, die in seine Augen sahen. Die Ojibwa mußten erst mächtige Medizin aus der Geisterwelt und von einem Unsterblichen "erspielen", bevor sie machtvoll genug waren, ihren stärksten Krieger gegen den Wendigo zu schicken. Und nur ein großes gemeinsames schamanistischen Medizinritual unter Leitung von Gatita, die - wie andere auch - ihr echtes Wissen einsetzte, setzte letztlich die Kräfte frei, die die Indianer vor den schrecklichen Folgen der von den Weißen eingeschleppten Pocken schützen sollten. In keinem anderen Spiel mischten sich Fiktion und reale Geschichte so perfekt und glaubwürdig. Die Medizingesellschaft der Ojibwa hat es - unter anderem - tatsächlich gegeben, ebenso war der Wendigo aus ihrer Mythenwelt entnommen.
Als dann am Sonntag noch alle gemeinsam sowohl englische wie auch französische Patrouillen davon abhielten, beim Fort Stellung zu beziehen, war die Harmonie perfekt. Um zwei Uhr nachmittags mußte ich alle 39 Spieler mit vorgehaltener Steinschloßflinte davon überzeugen, daß das Spiel leider zu Ende war und wir langsam ans Zusammenpacken denken sollten. Niemand wäre freiwillig vorher abgereist, wie das leider bei mittlerweile fast allen Spielen immer wieder der Fall ist.
siehe dazu auch den Abenteuerbericht